Etablissement der
Seidenraupenzucht in Töpffer’s Park zu Grabow bei Stettin
Illustrierte Zeitung – 19. März
1864 – S. 198
„ ... Auf dem fruchtbaren Boden, der ehr
ausgedehnten Erdarbeiten seine gründliche Verbesserung und seine reizenden
Niveauverhältnisse verdankt, gedeihen in geschmackvoll gewähltem Wechsel
nicht blos die verschiedensten Arten des Maulbeerbaumes, sondern auch die
herrlichsten Gruppen verschenartig belaubter Baume und Sträucher auf
grünenden Rasenplätzen, die hier und da mit einer Fülle von Blumen bedeckt
sind. Es ist dies eine Verbindung des englischen, französischen und
belgischen Sitls in der Landschaftsgärtnerei, wobei uns die schön
geschlungenen Wege unerwartet zu prächtigen Fernsichten hinführen. Denn das
Auge schweift weit hinübe nach den reizend gelegenen Ortschaften der
Umgegend, nach Frauendorf, auf die Oder und den Damm’schen See. – In dieser
schönen Umgebung, an der herrlichsten Stelle des Parkes, treffen wir auf
einen im Schweizer Geschmack decorierten Pavillon; dies ist das Wohn- und
Pflegehaus der unzähligen seidespinnenden Raupen. Dicht umrankt von
Schlinggewächsen, von Clematis und Aristolochien, nimmt sich das Haus mit
seinen beiden Seitenflügeln, mit seiner Eisenkuppel und den vier Thürmchen
recht zierlich und einlandend aus. Drinnen weben auf höchst zweckmäßig
ausgerichteten Gestellen die Hunderttausende der Seidenraupen ihr Gespinnst,
nachdem sie während des Sommers das ihnen vorgelegte Maulbeerlaub in
reichlicher Menge verzehrt haben.
Was dem Etablissement in industrieller
Beziehung eine besondere Bedeutung gibt, ist seine Gemeinnützigkeit. Denn
alles das, was hier durch wissenschaftliche und vergleichende Versuche Herr
Töpffer an Erfahrungen gewinnt, das kommt durch schnelle Verbreitung der
Resultate und durch sehr zuvorkommende Mitheilung von werthvolem Material
der Seidenindustrie unseres Vaterlandes zugute. Ja während des letzten
Jahres konnte Herr Töpffer nicht blos 170 deutschen Züchtern Graines (Eier)
der von ihm vortrefflich gezüchteten japanischen Rasse des Seidenspinners
gratis überlasen, sondern er gab auch größere Posten nach Italien ab, wo man
sich jetzt bestrebt, die während der letzten Jahre durch ausgedehnte
Krankheiten der Raupe zerstörte Seidenzucht durch Erwerbung gesunder Eier
wieder zu heben.
Es ist aber auch namentlich ein Verdienst
Töpffer’s, im Jahre 1861 und 1862 den Nachweis geliefert zu haben, daß die
japanesischen Seidenraupeneiter bei sorgsamer Behandlung so kerngesunde
Raupen und so gleichmäßige, feste und feine Cocon’s liefern, daß man nun
hoffen darf, durch die Verbreitung dieser Rasse werde den vielfachen Klagen
über ungesunde Graines wirksame Abhülfe geschafft. Indem Herr Töpffer
Graines dieser Rasse unentgeltlich an Züchter vertheilt, belebt er die
deutsche Seidenraupenzucht mit neuer Hoffnung. Die Versuche aber, die er mit
Kreuzung der einheimischen Rassen mit den japanischen Maulbeerseidenspinnern
anstellte, lehrten ihm, dass es kaum gelingen werde, die reinen Japaner in
Feinheit und Festigkeit des Gespinnstes durch die Mischlinge übertroffen zu
sehen, weshalb er nur rathen kann, die Japaner durch recht sorgfältige
Züchtung in ihrer Reinheit zu erhalten. Daß er aber in diesem Punkte
urtheilsfähig ist, konnte man an den von ihm in London ausgestellten
selbstgezüchteten Cocons der mailänder, Brianza, Lhoner, Libanon, China,
Sina und japaner Rasse ersehen. Die Jury der Londoner Industrieausstellung
hat ihm auch in der Abtheilung des Seidenhaus die höchste Prämie zuerkannt.
Wenn man bedenkt, daß Herr Töpffer in einem
Jahre zwischen 1500-2000 Loth Siedenraupeneier (ein Loth enthält ungefähr
20.000 Stück) züchtet, so kann man wol annehmen, daß sein Product auf dem
deutschen Seidenmarkt auch hinsichtlich der Menge eine wichtige Stelle
einnimmt. So wurde denn wie im Jahre 1862 auch im vorigen Jahre am 25. Juli
im Töpffer’schen Park der „Stettiner Coconmarkt“ abgehalten. Mit
Hinzurechnung der eigenen Ernte des Herrn Töpffer belief sich das zu Markt
gebrachte Quantum im ganzen auf etwa 1500 Metzen. Die bedeutendsten
Haspelanstalten-Besitzer Preußens waren als Käufer erschienen. Die Cocons
der grünen japaner Rasse wurde mit 27 ½ bis 30 Sgr., ja sogar mit 32 ½ Sgr.
per Metze bezahlt, und überhaupt hatte sich nach allgemeinem Urtheil diese
Rasse vorzugsweise bewährt.
Schließlich hat Herr Töpffer auch mit den
jetzt vielfach besprochenen Ailanthus- und Ricinusraupen Versuche
angestellt, wobei sich ergab, dass mindestens die großen Erwartungen
derjeningen sich wol kaum erfüllen werden, welche meinten, dass die
Einführung dieser neuen Seidenspinner schnell die Maulbeer-Seidenraupenzucht
verdrängen werde. Dahingegen macht Herr Töpffer die Acclimaticsationsvereine
auf den Eichenseidenspinner, Bombyx mylitta, in Indien aufmerksam, denn
dessen Cocons enthalten eine große Quantität starker Seide, und es müsse
ermittelt werden, ob dieser indische Eichenspinner mit dem Laube unserer
deutschen Eiche vorlieb nimmt; dieses Thier könnte dann eine neue Quelle des
Wohlstandes für viel kleine Leute auf dem Lande werden. So bestrebt sich
Herr Töpffer auch nach dieser Richtung hin, zur Entstehung und Entwicklung
einer wahrhaft gemeinnützigen Industrie fort und fort beizutragen.“ |